Ratgeber Bussgeldbescheid I
Einleitung
Fast jeder Autofahrer kennt ihn - den amtlichen Zettel hinter der Windschutzscheibe. Wer auf diese Verwarnung nicht reagiert, riskiert einen Bußgeldbescheid. Aber nicht nur beim Falschparken, auch andere Verkehrsverstöße werden mit einem Verwarnungsgeld oder gar einem Bußgeldbescheid geahndet. Falls Sie einmal Adressat eines Bußgeldbescheides werden sollten - hier finden Sie einige nützliche Hinweise, wie Sie sich verhalten sollten und welche Rechtsmittel Ihnen ggf. im Einzelfall zur Verfügung stehen.
Der vorliegende erste Ratgeber behandelt den Weg des "Knöllchens" bis hin zum Einspruch gegen den Bußgeldbescheid.
Ordnungswidrigkeiten
Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr sind Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung StVO, wie z.B. Falschparken, Rotlichtverstoß, Geschwindigkeitsüberschreitung, kein ausreichender Abstand, Vorfahrtsmissachtung, Missachtung von Verkehrszeichen.
Weitere Ordnungswidrigkeiten enthält die Straßenverkehrszulassungsordnung StVZO:zu viele Personen im Auto, zu hohes Gesamtgewicht, abgelaufener TÜV und Abgasuntersuchung (ASU), fehlender Verbandskasten oder Warndreieck.
Zuständig für Verkehrsordnungswidrigkeiten ist die Polizei, § 26 Abs. 1 StVG. Unterstützt wird sie von den Beauftragten der örtlichen Parküberwachung. Die Parküberwachung ist, wie ihr Name schon sagt, zuständig für Parkverstöße, nicht für andere Verkehrsverstöße.
Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten sind Verwarnungsgeld und Bußgeld. Mit dem Verwarnungsgeld werden kleine Verstöße verfolgt. Dazu ist die Zustimmung des Betroffenen erforderlich, § 56 OWiG.
Bei schwereren Ordnungswidrigkeiten ergeht ein Bußgeldbescheid. Ebenso, wenn der Betroffene dem Verwarnungsgeld nicht zustimmt. Bevor eine Sanktion verhängt wird, muss dem Betroffenen allerdings Gelegenheit gegeben werden, angehört zu werden.
Dies geschieht im Fall einer Kontrolle durch die Polizei vor Ort oder über den Anhörungsbogen mit der Zahlungsaufforderung. Die Zustimmung zum Verwarnungsgeld erteilt der Betroffene dann, indem er fristgerecht zahlt. Zahlt er nicht, ergeht der Bußgeldbescheid, den er mit dem Einspruch angreifen kann. Daraufhin erfolgt eine Hauptverhandlung vor Gericht oder ein gerichtlicher Beschluss ohne Hauptverhandlung, womit über die Sanktionen entschieden wird. Auch dagegen gibt es Rechtsbehelfe.
Neu in der StVO
Seit dem 01. März 2002 müssen Raser, die ein Radarwarngerät mit sich führen, nicht nur mit einem heftigen Bußgeld rechnen: Neben 75 ?, die bislang beim Einsatz von Radarwarngeräten fällig waren, kommen für den Autofahrer nun auch vier Punkte im Flensburger Zentralregister dazu. Dies sieht die Neuregelung und Ergänzung zur Bußgeldverordnung vor. Die Störung von Geschwindigkeitsmessungen war ohnehin bereits seit dem 14. Dezember 2001 verboten, § 21 Abs.1b StVO.
In der Praxis werden die Radarwarngeräte dem Fahrer auch im Wege der Sicherstellung von der Polizei abgenommen. Zur Begründung führen die Gerichte an, dass ansonsten derjenige, der ein Radarwarngerät einsetzt, regelmäßig und ungestraft die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten und sich damit faktisch der rechtlichen Überwachung entziehen könne. Insbesondere in Bayern werden derartige Geräte nicht nur sichergestellt, sondern auch anschließend vernichtet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 16.07.1998 diese im Rahmen des bayerischen Polizeirechts durchgeführte Maßnahmen für rechtmäßig erklärt.
Das "Knöllchen"
Im Fall des Falschparkens verhält sich dies meist so: Der Betroffene findet an seinem Fahrzeugs das berühmte "Knöllchen", das ihn zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages innerhalb einer Woche auffordert, weil er entweder in der Einfahrt, im Halteverbot, auf dem Zebrastreifen oder sonst wie falsch steht. Dieses Knöllchen wirft der Betroffene weg, weil er sich ärgert oder weil er es nicht für gerechtfertigt hält.
Einige Zeit später, ein oder zwei Wochen, erhält der Halter des betreffenden Kfz Post von der Verkehrspolizei mit der Wiederholung des Knöllchens und einem Anhörungsbogen (der sich meist auf der Rückseite befindet).
Anhörung
Der Anhörungsbogen gibt dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Ordnungswidrigkeit, die ihm vorgeworfen wird. Er muss nur zurückgesandt werden, wenn die Verwarnung abgelehnt und nicht bezahlt wird. Der Anhörungsbogen unterscheidet zwischen Pflichtangaben und freiwilligen Angaben.
Wenn der Betroffene nicht zahlen will, muss er in jedem Fall die Pflichtangaben machen, das sind Name, Adresse, Geburtsdatum, bei Wehrpflichtigen die Standortanschrift.
Mehr ist nicht auszufüllen!
Die Anhörung kann auch im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder am Unfallort erfolgen. Der Betroffene muss aber nicht zu dem Vorwurf Stellung nehmen. Der Umstand, dass der Betroffene sich nicht äußert, darf nicht gegen ihn verwendet werden. Äußert sich der Betroffene, kann dies weitreichende Folgen nicht nur für den Fortgang des Bußgeldverfahrens, sondern sogar für eine zivilrechtliche Auseinandersetzung wegen eines Schadens haben, und sollte aus diesem Grund sorgfältig vorbereitet sein. Der Betroffene sollte stets von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und eine Stellungnahme zur Sache, wenn überhaupt, erst später, sinnvollerweise durch einen Rechtsanwalt, abgeben.
Schweigerecht des Betroffenen
Der Betroffene hat, wie im Strafverfahren, das Recht zu Schweigen. Das heißt, er braucht keine Angaben zur Sache machen. Davon sollte er auch tunlichst Gebrauch machen. Aus dem Schweigen dürfen nämlich keine negativen Schlüsse gezogen werden. Achtung! Der Anhörungsbogen enthält, meist optisch in einen besonderen Block gesetzt, folgende Fragen: Waren Sie der verantwortliche Fahrzeugführer? Wird der Verkehrsverstoß zugegeben? Wenn nein, aus welchen Gründen?
Dies sind Angaben zur Sache. Diese Fragen brauchen Sie nicht zu beantworten. Wenn Sie hier Antworten ankreuzen, haben sie bereits Angaben zur Sache gemacht und auf Ihr Schweigerecht verzichtet. Im späteren Verfahren können Sie sich dann nicht mehr auf Ihr Schweigerecht berufen. Hier gemachte Angaben können zu Ihrem Nachteil verwendet werden.
Der Betroffene in unserem Beispiel möchte also nicht zahlen. Er füllt die Pflichtangaben aus und schickt den Anhörungsbogen innerhalb einer Woche zurück. Für die Wochenfrist bei Schreiben, die mit einfacher Post zugestellt sind, gilt folgende Berechnung:
Datum des Anhörungsbogens + drei Tage Postweg, dann eine Woche.
Dann muss der Anhörungsbogen bei der Verkehrsüberwachungsbehörde sein. Notfalls kann man bis 24h faxen. Dann ergeht einige Wochen später ein Bußgeldbescheid.
Verwarnungsgeld
Ist der Verkehrsverstoß eindeutig, und gibt es wirklich keine einleuchtenden Gründe, die ihn rechtfertigen würden, ist es für den Betroffenen sicher billiger, die Verwarnung zu bezahlen. Für die Höhe des Verwarnungsgeldes sind im Verwarnungsgeldkatalog vier Kategorien gebildet: Grundtatbestand, Behinderung, Gefährdung, Sachbeschädigung.
Je nach Verwirklichung der Kategorien erhöht sich das Verwarnungsgeld. So kostet Parken im eingeschränkten Halteverbot 15,00 Euro, wenn aber eine mehr als unvermeidbare Behinderung dazu kommt, sind es schon 25,00 Euro. Eine Eintragung der Verwarnung oder von Punkten in das Verkehrszentralregister erfolgt nicht. Eine Verwarnung stellt kein Schuldeingeständnis für die zivilrechtliche Frage nach dem Verschulden bei einem Verkehrsunfall dar.
Bußgeldbescheid
Nicht nur in den Fällen, in denen der Betroffene im Anhörungsbogen keine Angaben zur Sache macht, sondern auch wenn er den Anhörungsbogen nicht erhalten, vergessen oder verschlampt hat, ergeht ein Bußgeldbescheid. Dieser enthält das Bußgeld für den Verkehrsverstoß, die Verfahrensgebühr, und u.U. weitere Sanktionen, wie Strafpunkte im allgemein bekannten Verkehrszentralregister in Flensburg oder ein Fahrverbot von 1-3 Monaten. Die Höhe des Bußgeldes richtet sich nach Bußgeldkatalogverordnung, für einzelne Tatbestände gibt es zusätzliche Punkte in Flensburg.
Der Bußgeldbescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, die besagt, dass innerhalb von 2 Wochen Einspruch eingelegt werden kann. Ansonsten ist der Bußgeldbescheid innerhalb dieser Frist zu zahlen. Wird kein Einspruch eingelegt, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig, d.h. der Betroffene muss zahlen, die Punkte werden eingetragen und ein verhängtes Fahrverbot wird wirksam, d.h. der Führerschein muss abgegeben werden.
Bleibt der Betroffene untätig, wird vollstreckt.
Einspruch
Gegen den Bußgeldbescheid vom (Datum des Bescheides) wird Einspruch eingelegt. Genau so kann man den Einspruch formulieren. Das Einspruchsschreiben wird an die Behörde gerichtet, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Dabei ist unbedingt das Aktenzeichen anzugeben, damit der Einspruch zugeordnet werden kann.
Seit dem 01.03.1998 kann der Einspruch auf die Höhe des Bußgelds oder auf die Anordnung eines Fahrverbots beschränkt werden. Eine Begründung ist nicht erforderlich, da der Betroffene ja keine Angaben zur Sache machen muss. Auch hier gilt das Schweigerecht.
Einspruchsfrist
Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen, ab dem Zeitpunkt der Zustellung. Bußgeldbescheide werden immer mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Der Postbote klingelt bei Ihnen und drückt Ihnen ein blaues Kuvert in die Hand und fragt sie, ob Sie Sie sind. Dann vermerkt er auf der Urkunde, dass er Ihnen die Briefsendung persönlich übergeben hat, und auf dem Umschlag das Datum der Zustellung.
Bewahren Sie den Umschlag gut auf, denn er beweist den Zustellungszeitpunkt. Die Zwei-Wochen-Frist lässt sich leicht berechnen. Wurde der Bußgeldbescheid an einem Montag zugestellt, dann endet die Frist zwei Wochen später am Montag um 24h. Wurde der Bescheid an einem Samstag zugestellt, endet die Frist trotzdem am Montag 24h, da am Samstag und am Sonntag keine Fristen ablaufen, § 193 BGB. Fiele das Ende der Frist auf einen Feiertag, endete die Frist am darauffolgenden Werktag um 24h. Die Frist ist auch eingehalten, wenn der Einspruch bei der Behörde per Fax eingeht.
Wenn eine Zustellung durch Niederlegung auf dem Postamt (mit Benachrichtigung im Briefkasten) erfolgt, ist für die zweiwöchige Frist bereits der Zeitpunkt der Niederlegung maßgeblich.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Ist die Einspruchsfrist versäumt worden, kann der Betroffene einen Wiedereinsetzungsantrag stellen, wenn er die Frist schuldlos versäumt hat. Auch hierfür gibt es eine Frist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden, § 44 Abs.1 StPO. Gleichzeitig muss Einspruch eingelegt werden, § 44 Abs.2 StPO.
Unverschuldet ist eine Fristversäumnis bei Krankenhausaufenthalt, bei Unkenntnis der Zustellung bei Abwesenheit von der Wohnung, z.B. Urlaub. Auch ein Verschulden des Anwalts wird dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren, wie im Strafverfahren nicht zugerechnet, allerdings muss er ihn rechtzeitig beauftragt haben.
Die Tatsachen des fehlenden Verschuldens sind glaubhaft zu machen. Dies geschieht in der Regel durch Urkunden (dazu zählen auch alle Arten von Belegen, wie z.B. Hotelrechnungen, Bahntickets etc., Atteste oder eidesstattliche Versicherungen.
Akteneinsicht
Im Stadium des Einspruchs ist es durchaus ratsam, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, da dieser Akteneinsicht beantragen kann. Dieses Recht steht auch nur dem Anwalt zu, §§ 46 Abs. 1, 69Abs. 3 Satz 2 OWiG, § 147 Abs. 1 StPO). Der Betroffene selbst hat kein Recht auf Akteneinsicht.
Die Praxis ist manchmal anders. Vor allem, wenn die Akte bei der Polizei liegt. Auf dem Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid steht auch drauf: Akteneinsicht gewährt .... Wenn der Betroffene dann dort erscheint, um "sein Foto" anzuschauen, wird man ihm dies nicht verwehren. Allerdings werden freundliche Beamte dann durchaus versuchen, ihn in ein Gespräch zu ziehen.
Allein mit der Antwort "Bin ich nicht" "Kenn ich nicht" ist schon zur Sache ausgesagt und mit dem Schweigerecht ist es vorbei. Die so gemachten Aussagen können später in diesem Verfahren, oder in einem anderen Verfahren vorgehalten werden. Denn was eigentlich passiert, ist folgendes: die Polizei gewährt keine Akteneinsicht, sondern führt eine informatorische Befragung bzw. eine Vernehmung durch.
Also geben Sie besser die Akteneinsicht in die Hand eines Anwalts. Durch die Akteneinsicht erlangt der Anwalt Kenntnis über die Beweismittel. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, Abstandverstößen, Rotlicht Überfahren werden häufig Fotos und Videoaufnahmen als Beweismittel angefertigt. Entscheidend dabei ist, ob diese eine Qualität aufweisen, die ein Erkennen des Betroffenen ermöglicht. Häufig fehlt es an dieser Qualität. In den Akten ist auch der Verstoß näher beschrieben. So z.B. ob es sich um eine plötzliche Geschwindigkeitsbeschränkung handelt, eine langsame Abstufung der Geschwindigkeit, wie viel Zeit vergangen ist, bis das Fahrzeug nach dem Umschalten der Ampel auf Rot zum Stehen kam.
Der Anwalt kann dann beurteilen, ob es sinnvoll ist, in die Hauptverhandlung zu gehen oder den Einspruch zurückzunehmen.
Verjährung
Entscheidend ist auch, ob die Ordnungswidrigkeit nicht schon verjährt ist. Owis im Straßenverkehr verjähren sehr schnell, nämlich in drei Monaten. Ist allerdings ein Bußgeldbescheid erlassen, verjährt die Ordnungswidrigkeit in sechs Monaten, § 26 Abs.3 StVG. Die Verjährung wird durch die Übersendung des Anhörungsbogens oder den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen und beginnt dann von neuem zu laufen § 33 OWiG.
Verjährung kann dadurch eintreten, dass der Betroffene nicht rechtzeitig ermittelt wird.
Beispiel: Anna hat ihrem Freund Max ihr Auto geliehen. Dieser wird am 3.März mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Am 17.März. erhält Anna den Anhörungsbogen. Da sie aber in Urlaub ist, erfährt sie erst zwei Wochen später davon. Daher lässt sie den Anhörungsbogen zunächst liegen und wartet den Bußgeldbescheid ab. Dieser trifft am 20.April ein.
Am 4.Mai legt sie per Fax Einspruch ein. Es kommt zur Hauptverhandlung am 20. Mai. Nachdem Anna inzwischen mit ihrem Freund Krach hat, identifiziert sie ihn als Fahrer. Das Verfahren gegen Anna wird eingestellt. Die Kosten trägt die Staatskasse.
Am 4.Juni erhält Max den Anhörungsbogen. Er kann sich auf Verjährung berufen, da die Tat am 3. März begangen wurde und ihm aber der Anhörungsbogen erst nach mehr als drei Monaten zugestellt wurde.