Ratgeber Bussgeldbescheid II
Der vorliegende zweite Ratgeber zum Thema Bußgeldbescheid behandelt die auf den Einspruch folgende Hauptverhandlung und zeigt mögliche Sanktionen wie Fahrverbot oder Geldbuße auf. Der Ratgeber "Bußgeldbescheid Teil 1" beinhaltet Einzelheiten von der Begehung der Ordnungswidrigkeit bis zum Erlass des Bußgeldbescheids.
Hauptverhandlung
Der Einspruch führt zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. Hier steht der Betroffene dann vor dem Richter. Das Gericht kann aber auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn es diese nicht für erforderlich hält und der Betroffene und der Staatsanwalt nicht widersprechen. In der mündlichen Verhandlung stellt der Richter zunächst Anwesenheit und Personalien fest. Dann fragt er den Betroffenen, ob er Angaben zur Sache machen möchte und belehrt ihn über sein Schweigerecht.
Das Foto
In den Fällen, in denen es nur darum geht, ob der Betroffene auf einem Foto erkannt werden soll oder nicht, sollte der Betroffene allenfalls sagen, dass er keine Angaben macht. Aber kein Wort mehr. Auch wenn der Richter noch so freundlich fragt, wie z.B. "Können Sie hier etwas erkennen?" Es kommt einzig und allein darauf an, ob der Richter den Betroffenen erkennt.
Dies kann der Richter auch nicht willkürlich bestimmen, sondern das Foto muss eine bestimmte Qualität aufweisen. Kopfform, Haaransatz, Augen, große oder kleine Nase, volle oder schmale Lippen, gerade oder gebogene Augenbrauen müssen erkennbar sein. Attribute wie Hut, Brille, Bart, sind eher von sekundärer Bedeutung, da diese leicht veränderbar sind. Aber auf einem Foto mit Hut, Brille und Vollbart ist halt auch nur das zu erkennen.
Halter und Fahrer sind nicht identisch
In diesen Fällen erhält immer der Halter den Bußgeldbescheid, da dieser feststeht. Für die Ordnungswidrigkeit des Fahrers läuft inzwischen ab dem Verstoß die Verjährungsfrist von drei Monaten an. Wenn der Halter Einspruch einlegt und von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, kann die Identität des Fahrers nicht ermittelt werden.
Fahrtenbuch
Kommt es allerdings häufiger vor, dass der Fahrer nicht ermittelt werden kann, droht dem Halter die Auflage ein Fahrtenbuch zu führen. Wenn eine GmbH oder AG Halter des Fahrzeugs ist, kommt es häufig vor, dass die Polizei den Betrieb aufsucht und dort Angestellte befragt, ob sie den Fahrer auf dem Foto erkennen. Dieses Verhalten der Polizei ist zulässig. Wenn es hier öfter passiert, dass der Fahrer nicht festgestellt werden kann, kann die Polizei bzw. die Behörde die Auflage eines Fahrtenbuches anordnen, § 31a StVZO.
Die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, ist ein Verwaltungsakt und kann mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angefochten werden. Dieser muss, so sagt es auch die Rechtsbehelfsbelehrung, innerhalb eines Monats nach Zugang des Auflagebescheids bei der Stelle eingelegt werden, die den Auflagebescheid erlassen hat.
Fahrverbot
Die Bußgeldkatalogverordnung sieht bei bestimmten Verstößen auch ein Fahrverbot als zusätzliche Sanktion vor. Nach § 25 StVG darf ein Fahrverbot aber nur verhängt werden, wenn der Fahrzeugführer grob und beharrlich seine Pflichten verletzt. Daher muss in jedem Fall, auch in den sogenannten Regelfällen der Bußgeldverordnung geprüft werden, ob im Einzelfall eine grobe und beharrliche Pflichtverletzung vorlag.
Maßgeblich sind dabei besondere Ausnahmeumstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen. Der Betroffene hat also diese besonderen Umstände darzulegen. Dazu gehört z.B. im Fall einer Geschwindigkeitsüberschreitung, wieviel Schilder die Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt haben. War dies auf einer langen Strecke nur ein Schild, muss das zu schnell Fahren kein grober Pflichtverstoß sein, so dass das Fahrverbot zu Unrecht verhängt wäre.
Gleiches gilt z.B. bei Übersehen eines Ortschildes, wenn aus der Bebauung nicht auf eine geschlossene Ortschaft geschlossen werden kann. Als Ausnahmeumstand kann auch gelten, dass der Betroffene durch das Fahrverbot seinen Arbeitsplatz verlieren würde oder dass, sofern er selbständig ist, seine berufliche Existenz gefährdet wäre.
Dies muss durch Zeugen oder andere geeignete Beweismittel nachgewiesen werden. Lediglich eine Erschwerung der Situation oder finanzielle Nachteile rechtfertigen eine Ausnahme nicht. Kann das Fahrverbot in den Urlaub verlegt werden, besteht die existenzielle Gefährdung nicht.
In der Praxis sind diese Fälle eine Sache, die Anwalt und Richter ausdiskutieren. Der Richter muss schließlich auch wollen. In der Regel sieht das Ergebnis so aus, dass das Bußgeld bei Aufhebung des Fahrverbots entsprechend erhöht wird. Wer hier eine Diskrepanz im Recht für Leute mit Geld und Leute ohne Geld vermutet, der irrt. Auch für ein Bußgeld kann Ratenzahlung bewilligt werden.
Alkohol
Wo immer mit einem Fahrverbot gerechnet werden muss, ist bei Alkoholgenuss und Trunkenheit.
Liegt der Blutalkoholwert über 0,5 Promille wird ein Bußgeld von 250 ?, ein Fahrverbot von 1 Monat und 4 Punkte in Flensburg fällig, wenn keine Fahrunsicherheiten auffallen. Hier wird es schon schwierig, das Fahrverbot in den Urlaub zu verlegen. Der Blutalkoholwert hängt ab vom Körpervolumen und der Trinkmenge. Besteht schon eine Eintragung, beträgt die Geldbuße 500 ? mit einem Fahrverbot von 3 Monaten, sowie 4 Punkten. Bestehen mehrere Einträge, erhöht sich die Geldbuße auf 750 ?, mit einem Fahrverbot von 3 Monaten sowie 4 Punkten.
Kommt es durch die Wirkung des Alkohols zu einem Unfall, wird die Situation für den Unfallverursacher noch weitaus enger. Auch bei einer BAK von 0,5 Promille ist der Straftatbestand des § 315c StGB erfüllt. Hier droht also schon Geldstrafe (30-45 Tagessätze) oder Freiheitsstrafe. Hinzu kommt Führerscheinentzug mit einer Sperrfrist von mindestens 6 Monaten bis zu 5 Jahren und 7 Punkte in Flensburg. Der Führerschein ist übrigens auch erst mal weg, wenn sich bei einer BAK von 0,5 Promille Anzeichen von Fahrunsicherheit zeigen (z.B. Schlangenlinien) und es nicht zu einem Unfall kommt.
Zivilrechtlich begründet die Alkoholisierung bei einem Unfall Schadenersatz, bei Personenschäden Schmerzensgeld und evtl. Rente an die Unfallopfer. Des Weiteren begründet die Alkoholisierung eine Mithaftung, wenn der Unfall darauf zurückzuführen ist.
Die eigene Haftpflichtversicherung nimmt bei einem alkoholbedingten Unfall bis zu 5.105,09 ? Regress. Die eigene Kaskoversicherung verweigert bei einem alkoholbedingten Unfall die Zahlung völlig.
Punkte
Mit Punkten in Flensburg muss jeder Verkehrsteilnehmer rechnen, der einen Bußgeldbescheid - ab 40 ? - oder eine Verkehrsstrafe erhält. Ein solcher Eintrag wird frühestens nach zwei Jahren gelöscht.
Das allerdings kann seit einiger Zeit auch schneller gehen. Wenn der Fahrer ein freiwilliges Aufbauseminar besucht und eine Bescheinigung über einen erfolgreichen Abschluss vorlegt, werden ihm 4 Punkte abgezogen. Ist sein Punktestand bereits auf 9 bis 17 angewachsen, werden ihm nur noch 2 Punkte erlassen. Sind 18 Punkte auf seinem Konto, ist der Führerschein erst einmal weg. Aufbauseminare können Autofahrer übrigens für rund 250 ? bei ausgewählten Fahrschulen belegen. Informationen über Ihren Punktestand in Flensburg erhalten Sie unter der Telefonnummer 0461/3160.
Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen
Die Hauptverhandlung endet mit einem Urteil oder, wenn sie ohne mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, mit einem Beschluss. Gegen beide Formen ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Für diesen Rechtsbehelf ist die Mitwirkung eines Anwalts erforderlich, da über die Rechtsbeschwerde das Oberlandesgericht (in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht) entscheidet § 79Abs.3 OWiG, §§ 344,345 Abs. 1 StPO.
Die Rechtsbeschwerde unterliegt verschiedenen Voraussetzungen. Gegen den Betroffenen muss eine Geldbuße oder eine andere vermögensrechtliche Nebenfolge von mehr als 250,00 Euro oder eine nicht-vermögensrechtliche Nebenfolge (Fahrverbot) festgesetzt worden sein, § 79 Abs.1 Nr1 und 2 OWiG. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt 1 Woche. § 9Abs. 3 OWiG, § 341 StPO.
Die Rechtsbeschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht einzulegen, das die Entscheidung erlassen hat. Die Beschwerdebegründung muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein, 79 Abs. 3 OWiG, §§ 344,345 Abs.1 StPO. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt 1 Monat.
War der Betroffene in der Verhandlung anwesend, beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Verkündung des Urteils zu laufen. Fand die Verhandlung ohne den Betroffenen statt oder wurde im Beschlussweg entschieden, beginnt die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Urteils oder des Beschlusses § 79 Abs.4 OWiG. Wurde hier eine Frist versäumt, ist wie bei jeder Fristversäumnis die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.
Zuständig zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das Oberlandesgericht (in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht). Die Rechtsbeschwerde entspricht im Ordnungswidrigkeitenverfahren der Revision im Strafverfahren. Das bedeutet, dass die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen nicht mehr angegriffen werden können. Das Gericht überprüft nur mehr Gesetzesverletzungen formellen oder materiellen Rechts.
Mit der Rechtsbeschwerde können das gesamte Urteil oder nur Teile des Urteils angegriffen werden, sogenannte beschränkte Rechtsbeschwerde. Das Beschwerdegericht kann in der Sache selbst entscheiden, wenn die tatsächlichen Feststellungen ausreichend sind. Liegt eine Gesetzesverletzung vor und hält das Gericht die Erhebung weiterer Tatsachen für erforderlich, hebt es das Urteil auf und verweist das Verfahren an das Amtsgericht zur Neuentscheidung zurück.
Urteile
Überfährt eine Fahranfängerin eine rote Ampel, so muss der Richter zumindest in Betracht ziehen, von einem Fahrverbot abzusehen und stattdessen die Geldbuße zu erhöhen, wenn die Rotlichtsünderin noch sehr jung ist und im Straßenverkehr noch nicht "auffällig" war. Dass er diese Möglichkeit in Betracht gezogen hat, muss der Richter in seiner Urteilsbegründung zumindest andeuten, Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 17/02.
Verliert ein Außendienstmitarbeiter wegen einer Trunkenheitsfahrt (hier: mit 1,5 Promille) seinen Führerschein, so darf das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld sperren (hier: für 12 Wochen), wenn der Mann seinen Job verliert. Das gilt auch dann, wenn er privat betrunken unterwegs gewesen ist, weil in beiden Fällen grobe Fahrlässigkeit vorliegt, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 1 AL 134/01.
Auch bei einem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes hat ein Arbeitnehmer, der wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen ist, keinen Anspruch auf eine vorläufige Erteilung seiner eingezogenen Fahrerlaubnis. Das Verwaltungsgericht Trier lehnte den entsprechenden Antrag eines Mannes ab, der bereits drei Mal wegen "hochgradiger alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit" seine Fahrerlaubnis abgeben musste. Als Bedingung für eine erneute Teilnahme am Verkehr nannten die Richter ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten, Az. 1 L 398/02.TR.
Wird die Verhängung einer Geldstrafe eines Lkw-Fahrers im Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen, weil er einem - seiner Ansicht nach - zu langsam fahrenden Pkw-Fahrer mehrmals den "Vogel" gezeigt hatte? Ja, weil "eine innere Beziehung zwischen der Beleidigung und dem Führen eines Kraftfahrzeugs" vorliegt, Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, 1 VAs 4/01
Selbst 18 Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei führen nicht zwangsläufig zum Führerscheinentzug. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier ist Voraussetzung für den Entzug, dass der Autofahrer zuvor die Möglichkeit hatte, an einem so genannten Aufbauseminar teilzunehmen, VG Trier 1 L 225/01.